MEIN PFAD DURCH DAS DICKICHT
ANS LICHT

 

... oder wie ich über Jahrzehnte langsam begriff, dass mein Organismus keine Waffe zur Selbstverteidigung ist,
sondern ein fein vernetztes Ganzes abertausender Regulationsprozesse


„Sie möchten an dieser Stelle sicherlich einmal wissen, wer hier zu Ihnen spricht.
Wer bin ich also?


Hm, ich habe im kalten Monat Februar mit meinen zwei Border Terrier Mädels den Sturz in den Wiener Donaukanal überlebt.


Ich habe eine Kuhherde, die in Davos über mich hinweg trampelte, überlebt. Glauben Sie mir, ich weiß, was es heißt, alle seine Lebenskraft, seine Lebensgeister, seinen Lebenswillen oder naturwissenschaftlich formuliert, das Stress-System zu mobilisieren.“


 

Es gab noch mehr kritische Zwischenfälle in meinem Leben, die ich mit viel Glück überlebte. Über diese vielleicht später, wenn es in den Kontext passt.

oder wie ich über Jahrzehnte langsam begriff, dass mein Organismus keine Waffe zur Selbstverteidigung ist, sondern ein fein vernetztes Ganzes abertausender Regulationsprozesse

Wie kam es, dass ich für mich erkannt habe, dass es die Entzündungsprozesse in unserem Körper sind, die Zustände wie Wohlempfinden und Krankheiten in allen Schattierungen hervorbringen?

Ich erinnere mich an leidvolle Zeiten der Verwirrung und Unsicherheit während meines Medizinstudium in Wien. Außer einer Anhäufung von sogenannten Fakten, die ich lustlos in mich hineinstopfte und die bei mir dann auch prompt Essstörungen nach sich zogen, ist heute nichts Nennenswertes geblieben.

Ich habe damals versucht diese Leere der Lehre mit Praktika und später mit viel Empathie und Einsatz am Krankenbett zu kompensieren. Mein Erfahrungsspektrum reicht deshalb über alle Abteilungen hinweg und umfasst Bereiche wie die Psychiatrie und Intensivmedizin, die bei oberflächlichem hinsehen nicht unterschiedlicher sein könnten. Dennoch war ich unglücklich. Viele Jahre sollten noch vergehen, bis sich dieser Zustand grundlegend änderte.

In meiner Lehrzeit an der Uni habe ich beinahe nichts vom Immunsystem, Stress-System oder von den komplexen Zusammenhängen im Organismus gelernt. In meinen Wanderjahren sammelte ich zwar sehr viele Erfahrungen, stieß aber immer öfter an meine Grenzen, die ich später als die Grenzen der westlichen Medizin begreifen sollte. Besonders dann, wenn es darum geht, die vielen chronischen Erkrankungen unserer Gegenwart sinnvoll zu behandeln, sind die Möglichkeiten der Medizin erschütternd gering.

1988 ließ ich meinen Beruf hinter mir und machte mich auf die Suche nach der Lösung für mein Problem, die Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit, die Essstörungen, den Mangel an Motivation, die Schlafstörungen und die ständige innere Unruhe.

Diese Liste umfasst eindeutige Krankheitssymptome, die ich damals natürlich nicht als solche erkannte. Aber dazu komme ich später.

WANDERJAHRE

Ich greife noch einmal schnell meine Wanderjahre auf. Unter anderem habe ich im Flüchtlingslager Shatila in Beirut zu Zeiten des Bürgerkriegs gearbeitet, eine Zeit, die mich sehr geprägt hat und mir meine eigenen Grenzen aufzeigte. Von dort gelangte ich in die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Krankenhausarbeit dort frustrierte mich so, dass ich Hals über Kopf kündigte, ohne zu bedenken, dass ich arbeitslos sein würde. Das war der Beginn für den Aufbruch in ein anderes Leben.

Zurück in Österreich machte ich mich auf die Suche nach Arbeit. Nachdem ich nicht mehr in den Klinikalltag zurückkehren wollte, nahm ich eine Stelle in einem Blutplasma verarbeitenden pharmazeutischen Unternehmen in Frankfurt am Main an. Dort musste ich mich zum ersten Mal mit dem Thema Immunsystem auseinandersetzen. Ich hatte wirklich keine Ahnung. 

Das erste Buch, das ich zu lesen versuchte, um mich kundig zu machen, hieß ”Basics in Immunology”. Ich verstand gar nichts und dachte, dass ich einfach zu dumm bin, um es zu begreifen. Das war alles in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts. 

Heute nach über 25 Jahren, die ich mich mit dem Immunsystem, dem Stress-System, dem Nervensystem, den Hormonen, dem Organismus als dicht geknüpftes Beziehungs- und Kommunikationsgeflecht befasse, wage ich zu urteilen, dass das Buch einfach schlecht war und ich mich aus Unsicherheit noch mehr habe verunsichern lassen.

Langsam wurde im Dickicht die Vision sichtbar, welche mich bis heute antreibt und mir viel Freude am Leben bereitet.

 

So begann in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine aufregende Reise, in deren Zentrum heute die Entzündung steht. Das Thema ist spannend und durchzieht die Menschheitsgeschichte zumindest schon seit der Antike und findet sich in allen Kulturen wieder. In der Entzündung vereint sich unser Organismus zu einem harmonischen Ganzen.

 

Die moderne Naturwissenschaft steht gerade am Anfang der Erforschung und sie hat es schwer, denn die Ablöse alter tradierter Vorstellungen benötigt viel Zeit, oft Generationen.

 

Die chronischen Krankheiten, die uns plagen und die wir nicht zu behandeln wissen, nötigen uns aber zum Umdenken, ein zu langsamer Prozess, vor allem für die vielen Leidenden. Die Entzündung zu begreifen, bedeutet auch die Wege der (Er)Lösung klarer vor sich zu sehen. Für mich war diese Erkenntnis jedenfalls wie eine Erleuchtung, eine Befreiung aus der Zwangsjacke Medizin.