KEIN LEBEN OHNE IMMUNTÄT

Das Immunsystem ist ein wesentlicher Bestandteil des Stresssystems. Um seine unverzichtbare Bedeutung für das gesamte Leben und sein Wohlergehen zu verstehen, ist ein erhebliches Umdenken erforderlich. Wenn Menschen Schwierigkeiten haben, das Immunsystem zu verstehen, liegt dies hauptsächlich an der Metapher, die verwendet wird, um dieses System und die Immunität, die sich aus seiner Aktivität ergibt, zu erklären. Aus unserer Geschichte mit Infektionen wird es noch immer als Abwehrsystem im Sinne konventionellen Kriegsführung gesehen.

 

Es wird in der Regel auf die Abwehr von Infektionen reduziert.

DAS IMMUNSYSTEM ALS REGULATIONSSYSTEM SCHLÄFT NIE. REGULATION IST EIN PROZESS, DER MIT DEM TOD ENDET. UM EINE TRAURIGE, ABER FÜR MICH UNVERRÜCKBARE REALITÄT FESTZUHALTEN: AM ENDE DES LEBENS STEHT DER ZUSAMMENBRUCH DES IMMUNSYSTEMS.

Infektionen haben heute ihre lebensbedrohliche Bedeutung verloren. Stattdessen sind Stoffwechselstörungen, Allergien, Neurodermitis, Autoimmunerkrankungen, Tumore und andere chronische Erkrankungen zu den zentralen Gesundheitsproblemen des 21. Jahrhunderts geworden. Keine dieser fatalen Erkrankungen ist ohne chronisch entzündliche Prozesse denkbar, die unter der Oberfläche der unterschiedlichen Symptome chronischer Erkrankungen ablaufen.

 

Kurzes Exkurs-Update:

 

Ich habe diese Zeilen geschrieben, bevor wir mit all den Problemen und Unwegbarkeiten rund um das Corona-Virus konfrontiert wurden. Dennoch gilt meiner Meinung nach wie vor die obige Aussage. Aus welchen Gründen auch immer, seien es politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche oder eine chaotische Mischung aus allen, steht für mich ein Kernproblem: Die extrem hohe Komorbidität, die durch einen chronischen Krankheitsverlauf gekennzeichnet ist. COVID ist eine Infektion, die zuerst die bereits Kranken trifft. Wenn die Immunität schon beeinträchtigt ist, sind wir anfälliger für Infektionen.
Ich möchte mich an dieser Stelle nicht in dieses hochpolitische Thema einmischen. Dies würde nur in einen endlosen Sermon von Pro und Contra münden, der am Ende unbefriedigend bleibt.

 

Besser, wir konzentrieren uns auf die Immunität und sehen, was wir tun können, um unser Wohlbefinden zu verbessern. Wenn wir das Immunsystem weiterhin als Abwehrsystem betrachten, ist es eigentlich unmöglich, die chronischen Erkrankungen zu erklären und geeignete Behandlungsmöglichkeiten zu finden.

 

Erst wenn wir das Immunsystem als Regulationssystem betrachten, fragen wir uns nicht mehr, wie dieses System die Entzündungsprozesse aufrechterhält und die Heilungsprozesse steuert, an der Energieverteilung im Körper beteiligt ist und Krankheitssymptome wie Fieber, Schmerzen, Müdigkeit und Antriebslosigkeit erzeugen kann. Wir beginnen auch zu begreifen, wie Wohlbefinden und Krankheit in Beziehung zueinander stehen.

OHNE IMMUNITÄT VERSCHMELZEN WIR MIT UNSERER UMWELT, WIR LÖSEN UNS AUF

HIER SIND BEISPIELSWEISE EINIGE FRAGEN, DIE
DIE METAPHER VON KRIEG UND VERTEIDIGUNG NICHT BEANTWORTEN KANN :

 

Warum vertragen manche Menschen bestimmte Lebensmittel
und andere entwickeln eine Allergie?
Wie können wir mit unserer Bakterienflora und den Billionen von Viren koexistieren?
Wie erklären wir den Heilungsprozess oder die Autoimmunität?
Wie interpretiert das Immunsystem den Kontext von Zellen und handelt entsprechend?
Warum sind manche Menschen anfälliger für Viruserkrankungen
wie Grippe oder COVID als andere?
Wie kontrolliert das Immunsystem die Aktivität von Viren,
die im Körper lebenslang vorhanden sind?
Und nicht zuletzt, wie unterscheidet das Immunsystem zwischen Eigenem und Fremdem?

VIELE SCHWARZE FLECKEN KENNZEICHNEN UNSER WISSEN

Dieser Strauß von Fragen kann nicht mit der herkömmlichen Verteidigungsmetapher beantwortet werden. Unser ganzes Gerede in der Biologie ist metaphorisch, vergessen wir das nicht. Die Biologie entzieht sich unserer Sprache ebenso wie die Natur an sich. Daher schläft das Immunsystem bildlich gesprochen nicht einmal ohne einen feindlichen Angriff. Wir können die Immunzellen nicht als Soldaten sehen, die in einem Graben sitzen und darauf warten, dass der Feind schießt.

 

Das Immunsystem ist immer aktiv. Es ist integraler Bestandteil aller Regulationsprozesse des Körpers. Der neue Denkansatz der modernen Wissenschaft besteht darin, das Immunsystem als eines zu betrachten, das mit anderen Systemen und Organen des Körpers zusammenarbeitet und so das Gleichgewicht und das Überleben des Körpers sicherstellt. Regulation ist der Schlüsselbegriff dieses neuen Konzepts. Organe, Zellen, Hormone und Systeme wie das Immun- und Nervensystem sind allesamt Bestandteile der Regulation. Der Körper besteht also aus einem komplexen Netzwerk von Regulationsprozessen und nicht aus Kleinkaliberwaffen und anderen Geschoßen.

 

Wir vergleichen das Immunsystem und die Immunität, die aus diesem System hervorgeht, lieber mit einem Musikstück, das von verschiedenen Instrumenten gespielt wird, als mit einer Armee, die im Notfall angriffsbereit ist.

Vor unseren Augen sehen wir einen Teppich aus Wissensfetzen, die es wieder zu verbinden und mit neuen Augen zu sehen gilt.

KLEINE WESENTLICHKEITEN DER UNVOLLSTÄNDIGKEIT


Jeder Stressfaktor, der das Gleichgewicht des Körpers zu stören droht, trifft auch das Immunsystem. Es setzt riesige Mengen an Botenstoffen aus Immunzellen wie Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Lymphozyten (Zytokine, Wachstumsfaktoren, Zelldifferenzierungs-/Zellproliferationsfaktoren) frei, die die Kommunikation zwischen all den vielen Komponenten des Körpers initiieren und aufrechterhalten.

 

Der Beginn, die Kontrolle und der Endpunkt von Phänomenen wie Wundheilung, entzündungshemmende Prozesse etc. sind Aufgabe der Systeme, die die Integrität unseres Körpers und unserer Psyche sicherstellen. Jene Systeme, die alle Elemente des Körpers miteinander verbinden, sind letztlich – wie bereits mehrfach erwähnt – das Nervensystem, das Immunsystem und das endokrine System der Hormone wie Adrenalin und Cortisol.

Diese ganz andere Art, die Immunität zu sehen, verändert auch die Interpretation metabolischer Prozesse und erlaubt uns zu verstehen, wie es unter starker Stressbelastung zu Symptomen wie Lustlosigkeit, Mangel an Motivation, Erschöpfung, Schlafbedürfnis, erhöhter Körpertemperatur, Appetit- und Gewichtsverlust ebenso wie Infektionen etc. kommen kann. Die vielen löslichen Faktoren, die von Immunzellen freigesetzt werden zirkulieren durch unseren Körper. Sie sind Signale/Impulse, die der Empfänger (z.B. bestimmte Zellen) interpretieren. Wenn ausreichend viele Signale gesendet werden und eine kritische Menge an Empfängern antwortet, erleben Sie ein spezielles Körpergefühl, das gut oder schlecht sein kann, aber auch alle Übergänge zwischen diesen beiden extremen Zuständen annehmen kann. 

Hunderte von Zellen müssen Signale senden bzw. empfangen, um zu reagieren und ihre Funktion zu ändern. Für diese Interaktionen exprimieren Zellen Hunderttausende von Rezeptoren.