JEDE GESCHICHTE IST IN DER ZEIT EINGEBETTET

Ob es eine Narration über Physik, Mathematik, Biologie oder Alltag ist, es geht immer um einen Ablauf in der Zeit, gesehen durch die Augen eines Beobachters mit seiner ganz eigenen Erfahrung und Denkweise.

Ob Relativitätstheorie, Quantenphysik, Topologie, die Geschichte eines Geschichtenerzählens oder mein Liebling, die gefaltete Zeit von Michel Serres, Zeit ist ein universelles Thema, das sich auf seine eigene Art durch alle Kulturen schlängelt.

Das Thema Zeit in der Biologie und im Speziellen in der Medizin war und ist immer noch eines meiner größten Anliegen und auch von spannendem Interesse.

 

Meine These: Zeit ist ein integraler Bestandteil allen Lebens. Es ist eine Beziehung, die ebenso entscheidend ist wie die Beziehung zwischen Zeit und Raum. Die Letzte findet ihre Verdichtung in Einsteins Relativitätstheorie. Die Physik hat sich viel mit dem Phänomen der Zeit beschäftigt, das gleiche gilt leider nicht für die Biologie. Vielleicht liegt es daran, dass Zeit in der Biologie so schwer zu fassen ist, da wir tief in ihr verwurzelt sind. Die Biologie hadert mit der Zeit.

Für die meisten von uns hängt die Zeit in der Biologie mit unserer Lebensspanne zusammen, der Zeit zwischen der Geburt und dem Tod. Ansonsten ist Zeit für uns ein äußeres Phänomen, das durch das Artefakt der Uhr repräsentiert wird. Leben und Tod und die Zeit dazwischen sind unbestreitbare Endpunkte, die für jeden zu beobachten sind. Aus diesem Grund überbrücken Geburt und Tod Kulturen und Gesellschaften, unabhängig von ihrer Denkweise. Diese beiden Wörter brauchen keine Metaphern, um sie verständlich zu machen, so real sind sie.

Für mich ist die Zeit in der Biologie bei weitem mehr und ein extrem schwieriges Thema.

 

Zeit ist ein integraler Bestandteil allen Lebens. Ohne Zeit kein Leben. Veränderung, Verhalten, Entwicklung, Evolution, all diese Begriffe sind zeitbezogen. Um Veränderungen zu beobachten, ist die beobachtete Zeitspanne entscheidend für deren Wahrnehmung.

 

An dieser Stelle nur zwei Beispiele:

Wir waren einmal davon überzeugt, dass sich Muskelzellen nicht vermehren und regenerieren können. Warum das denn? Wir haben sie einfach nicht lange genug beobachtet, um die Veränderungen zu bemerken. Neuronen, die gleiche Geschichte, wir dachten, wenn sie erst einmal zestört sind, dann sind sie für immer verschwunden. Auch hier war die Beobachtungsspanne zu kurz gewählt. Technische Errungenschaften mögen den Prozess der Beobachtung verkürzen, nicht aber den Zeitbegriff im Kern der Veränderung.

Änderungen sind zeit- und geschwindigkeitsabhängig.

 

Über diesen Zusammenhang wissen wir in der Biologie wenig und noch weniger in der Medizin. Wir, insbesondere die Naturwissenschaften, suchen nach klaren Endpunkten. Aber was ist der Fall, wenn es keine gibt? Und hier sind wir, sie trifft uns wieder, unsere lineare Sicht auf die Welt.

 

Rückkopplungsschleifen und Regelkreise, komplexe Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie keinen Anfang und kein Ende im herkömmlichen Sinne aufweisen. In der Biologie geht es um komplexe Systeme, in denen die Zeit kein lineares Phänomen ist.

 

Linearität hindert uns daran, Erkenntnisse über dieses System und damit den menschlichen Körper und seine Veränderungen im Laufe der Zeit zu gewinnen. Unsere Manie, zu messen, ohne die Meßpunkte adäqut zu verbinden und die sich im Laufe der Zeit entwickelnden Muster zu erkennen, verdunkelt unseren Blick auf Wohlbefinden und Krankheit. Linearität impliziert die Ursache-Wirkungs-Beziehung, impliziert die Antwort "warum". Wir vermeiden die Frage nach dem „Wie“, weil wir in einer von Ursache-Wirkung-getriebenen Welt an der Antwort scheitern.

 

Die Frage "wie" ist für mich die zu stellende Frage. Antworten zu finden ist unmöglich, wenn man in der Linearität stecken bleibt. Bewegen wir uns und beschäftigen wir uns mit Komplexität, auch wenn wir das Gefühl haben, uns in eine Welt der Fragmente und Unvollständigkeit vorzuwagen.

 

Den Schleier der Unwissenheit zu lüften braucht dieses Abenteuer.
Verbundenheit zu erleben kann auch eine Erleichterung sein.
Plötzlich hast du Antworten für dich, die du nicht erwartet hättest zu finden.

STRESS UND ZEIT IN DER BIOLOGIE

BEI STRESSEXPOSITION IST DIE ZEIT ENTSCHEIDEND

 

Zunächst einmal ist die Stressreaktion im biologischen Sinne des Wortes ein zeitlich, eng abgestimmter Prozess und also äußerst zeitsensibel. Eine Stressreaktion wird - ungeachtet den sie auslösenden Reiz - innerhalb der ersten Sekunde aktiviert  (siehe Skizzen hier). Wenn die Kontrollmechanismen versagen, kann diese Ereignis für ein Lebewesen fatal enden.

 

Eine andere Sichtweise auf Stress ist die Zeit der Stressexposition. Wir können zwischen akutem Stress und chronischem Stress unterscheiden. Für die akute Stresssituation gilt die klassische biologische Stressreaktion. Wir sprechen hier über das bekannte "Fight and Flight"-Phänomen. Wenn wir gesund sind, ist der Organismus normalerweise in der Lage, solche Situationen zu bewältigen.

 

Ganz anders ist dies bei chronischer Stressbelastung. Allerdings ist das, was für den einen chronischen Stress bedeutet, für einen anderen nicht unbedingt so. Wird einem Organismus jedoch zu lange chronischer Stress auferlegt, kann dies äußerst schädlich sein. Das Ergebnis ist ein chronischer Entzündungsprozess, der jede uns bis heute bekannte Krankheit auslösen kann, von Tumoren bis hin zu Autoimmunerkrankungen, degenerativen neurologischen Erkrankungen und vielem mehr. Die Immunität leidet extrem unter chronischen Stressbedingungen.

Daran denken wir in der Regel, wenn wir über Zeit sprechen: die Uhr

Die Zeit kann sich mit vielen Gesichtern präsentieren: Veränderung, Verhalten, Entwicklung, Evolution. Zeit als lineares Phänomen gibt es für mich nur bei Wettbewerben. Ansonsten bewegt sie sich im Kreis, auch die Uhr tut dies.

EINE EINZIGE MESSUNG WIRD ZU OFT ALS UNWIDERLEGBARE TATSACHE HINGENOMMEN, ANSTATT ALS EINE ZEITAUFNAHME VON EINGESCHRÄNKTER BEDEUTUNG.

Lassen wir uns aus diesem Grund nicht von einem einzigen Messwert beeinflussen, der außerhalb der Norm liegt. Der Grund dafür kann mehr als ein rein technischer Fehler sein. Wir sind alle Lebewesen, in denen eine Uhr schlägt. Alle unsere Körperfunktionen, Organe, Zellen, Hormone und anderen inneren Botenstoffe folgen einem Rhythmus, der eng an das Licht geknüpft ist, also einem 24-Stunden-Zyklus folgen.

 

Dies bedeutet, dass die Messungen oder Messwerte einzelner Parameter im Tagesverlauf variieren. Darüber hinaus wirken sich auch unser Lebensstil und unsere täglichen Aktivitäten auf die Messwerte der Proben aus. Aus diesem Grund sollten die Veränderungen jedes gemessenen Parameters in der Zeit beobachtet und das Gesamtmuster bewertet werden.

 

Blutdruck- und Blutzuckermessungen sind gute Beispiele dafür. Als Patienten sollten wir immer auf Mehrfachmessungen bestehen und erst nach mehreren Kontrollen mit der Einnahme von Medikamenten wie Antidiabetika oder Antihypertensiva beginnen. Von Statinen sollte man sich fernhalten. Deren Verschreibung ist äußerst fragwürdig ist und sie sind leider zudem hochgiftig.

 

ZEIT IST FÜR MICH EIN INTEGRALER BESTANDTEIL DES LEBENS, UND NUR IM TOD WIRD DIE ZEIT AUSGELÖSCHT.

 

In der Medizin und Biologie hadern wir mit der Zeit, vielleicht weil sie in uns steckt und schwer als Maß zu fassen. In der Physik ist es einfacher, mit der Zeit umzugehen, weil sie sich außerhalb unseres Körpers in einem Raum befindet, in dem eine Uhr angebracht werden kann.

 

Jeder Entzündung liegt ein Stresszustand im biologischen Sinne zugrunde. Dieser Stresszustand ist die Reaktion des Stresssystems auf Umweltreize, aber auch auf Signale in unserem Körper. Übrigens sind wir ca. 100.000-mal sensibler für Veränderungen in unserer inneren Welt als unserer äußeren Umgebung.

 

Das Ergebnis der Stressbewältigung sollte ein Gleichgewichtszustand sein, der mit Wohlbefinden gleichgesetzt werden kann. Die Stressreaktion des Körpers ist kein bewusster Prozess. Bewusstsein setzt in der Regel erst ein, wenn das traumatische Ereignis (Stresssituation) vorbei ist. Wäre dies nicht der Fall, käme jede geeignete lebensrettende Reaktion viel zu spät.

 

 

Oxidativer Stress durch freie Sauerstoffradikale kann für die Zellen sehr destruktiv sein, wenn er nicht entsprechend gepuffert wird. Die Produktion von freien Sauerstoffradikalen nimmt zu, wenn die Entzündungsprozesse andauern oder aus dem Gleichgewicht geraten.

Als Reaktion auf Stressoren kann das Stresssystem in weniger als einer Sekunde aktiviert werden. Die Prozesse der Eindämmung und Kontrolle setzen danach umgehend ein. Es kann Stunden oder sogar Tage dauern, bis der Körper wieder in sein natürliches Gleichgewicht zurückfindet.

Stresszustand und Entzündung sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Messung der Herzrhythmusvariabilität ist ein guter Indikator für das Ausmaß der Entzündung im Körper.

Nach dem, was ich gerade geschrieben habe, mag es durchaus so aussehen, als seien Stress und Entzündung zwei Seiten derselben Medaille, und das ist so lange der Fall, wie der Körper im Gleichgewicht bleibt. Ist dies nicht mehr der Fall, verliert das Stresssystem seine innere Harmonie.

 

Die Entzündung wird stärker, sie ist dann nicht mehr unterschwellig, sie wird messbar. Das Immunsystem an sich ist dereguliert und in der Folge sind dann andere Organsysteme wie Gefäße, Bindegewebe, Muskeln, der Stoffwechsel oder einzelne Organe betroffen. Als Diagnose folgen irgendwann - der Zeitpunkt ist unvorhersehbar - die vielen chronischen Erkrankungen, denen wir so hilflos gegenüber stehen. 

 

Lange Zeit bleibt die chronische Entzündung unseren Messmethoden verborgen. Deshalb muss ich Ihnen die Antwort auf die Frage, wie Sie die Entzündung bei sich entdecken können, ohne auf Ihr Körpergefühl zu achten, schuldig bleiben. Erst wenn eine chronische Entzündung zu einer chronischen Erkrankung zu werden droht oder die Diagnose bereits gestellt ist, dann spiegelt sich das auch in den Laborwerten wider. Die Werte im einzelnen vorzustellen und zu erläutern sprengt leider den Rahmen dieser Seite, da ich jede Erkrankung gesondert betrachten müsste.

 

Natürlich sind die unspezifischen Entzündungsparameter wie CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Interleukin-6 und Interleukin-1, Tumor-Nekrose-Faktor alpha oder die Immunglobuline meist erhöht, das Blutbild verändert oder der Cortisolspiegel erhöht. Starker dauerhafter Stress führt zu einer Erhöhung des Cortisols mit nachhaltigen Wirkungen auf den Stoffwechsel. 

 


"Ich kann ein langes Lied davon singen, was es heißt zu übertreiben,
zu meinen, schneller ans Ziel kommen zu können als andere oder als mein Organismus es zulassen wollte. Viele Verletzungen haben mich über Jahre begleitet. Ich hatte zwei Jahrzehnte keine regelmäßige Bewegung mehr gemacht, als ich zu laufen begann. Nun laufe ich seit 25 Jahren regelmäßig. Jetzt ist die Basis für eine gute Ausdauerkondition gelegt. Seit zwei Jahren mache ich zusätzlich High Intensity Intervall Krafttraining (HIIT). Laufen war zu einseitig und brachte mir von Ischiasproblemen, Muskelrissen bis hin zum Fersensporn eine ganze Reihe von Verletzungen und Schmerzen ein.

Wenn ich mich zu stark belaste, an einem Wochenende zu viele Kilometer laufe, dann weiß ich heute, dass ich am nächsten Tag  schlecht gelaunt, mürrisch und lustlos bin, die Arbeit nicht von der Hand geht. Der Appetit ist nicht gut. Ich fühle mich einfach schlecht. All das ist eine Folge der Entzündungsprozesse im meinem Körper"