DIE HERAUSFORDERUNG EINER BEOBACHTUNG EINES KOMPLEXEN SYSTEM

Über Stress und das Stresssystem zu sprechen, ist wahrscheinlich eines der schwierigsten Kapitel der Biologie, denn es bedeutet, den Körper als Ganzes zu betrachten. Es beinhaltet auch, immer etwas zu übersehen, und nicht zu wissen, ob ich die aktuelle Situation in diesem Moment entsprechend beobachte. Was immer ich hier sage, ist ein Blick auf Fragmentarisches. Ich wähle aus und das vielleicht unangemessen.

DIE STRESSANTWORT
AUS BIOLOGISCHER SICHT

Ein streng koordinierter, fein abgestimmter biologischer Prozess. Jeder Einfluss auf den Organismus, der dessen Gleichgewicht bedroht, ist ein Stressfaktor, der eine Stressantwort initiiert, ungeachtet dessen ob die Stressfaktoren physischer oder psychischer Natur sind. 

In der Regel läuft die Stressantwort jenseits des Bewusstseins ab. Vor allem Extremsituationen erfordern eine optimal koordinierte biologische Stressantwort. Diese Antwort wird vom Immunsystem, dem zentralen Nervensystem mit seinen sensomotorischen Anteilen, dem autonomen Nervensystem (sympathisches und parasympathisches Nervensystem) und Hormonen wie den Glukokortikoiden und Katecholaminen aktiviert, kontrolliert und wieder gebremst. Alle Systeme interagieren und beeinflussen sich gegenseitig.

 

Als Ganzes bezeichnet man sie als Stress-System.

Dieses erstaunliche Geflecht aus auf vielen Ebenen verschalteten Regelkreisen wird von Außen durch Wahrnehmungen und deren Interpretation, durch Moleküle und Mikroben, die über die Schleimhäute von Darm und Lunge ständig Druck auf das Immunsystem ausüben und durch eine Vielzahl von Reizen aus dem Körperinneren wie Blutdruck, Körpertemperatur oder Blutzuckerspiegel etc. moduliert.

Das Gehirn reguliert, kontrolliert und koordiniert die Basisaktivitäten unseres Körpers sowie den Ablauf der Stressantwort. Spezielle Zentren im zentralen Nervensystem (ZNS) erfüllen diese Aufgaben, es sind gewissermaßen Messzentren, die ständig Soll- und Ist-Wert-Vergleiche vornehmen. Wiederum sind es positive und negative Rückkoppelungsschleifen sowie eine Vielzahl von Regelkreisen zwischen diesen Zentren, die für einen präzisen Ablauf und die Korrektur der Prozesse in der Peripherie des Körpers sorgen. Die Aktivitäten des Immunsystems werden durch das autonome Nervensystem kontrolliert und gebremst.

 

Diese Vorgänge erfolgen in Echtzeit. Ebenso wie das ZNS tragen auch die Cortisol-Regelschleifen zu einer Dämpfung überschießender Immunreaktionen bei. Das Cortisol-System ist deshalb in Phasen von Stress immer hochaktiv.

 

Wegen dieser seiner immunsuppressiven und entzündungshemmenden Wirkung wird Cortison auch gerne als Therapeutikum eingesetzt. Viele von Ihnen werden schon die schmerzstillenden, entzündungshemmenden Effekte des Cortisons erlebt haben.

Die Stressantwort gehorcht strengen Regeln.
Für den Organismus ist die Ursache der Auslösung
der Stressantwort nicht von Bedeutung. 
Der Ablauf bleibt immer gleich.
Die Antwort unterscheidet sich nur durch ihre Intensität. 

1. Beispiel für ein Reizmuster, welches das Stress-System aktiviert.

2. Es folgen unmittelbar danach, innerhalb der ersten Minute, die Prozesse, welche die Stress-Reaktion kontrollieren

3. Das Gleichgewicht ist wieder hergestellt. Das kann mehrere Tage dauern.

Im Rahmen einer Stressantwort sind somit nach einer kurzen Aktivphase alle Systeme darum bemüht, die Stressantwort unter Kontrolle zu halten, sonst breiten sich die Entzündungen, die beispielsweise entlang der Magen- und Darmschleimhaut, der Bronchien und der Lunge sowie bei Muskelarbeit ständig entstehen, im Körper aus. Je nach genetischer Disposition werden deshalb unter Stress Krankheiten Tür und Tor geöffnet.

 

Ein großer Unterschied besteht auch zwischen akutem und chronischem Stress. Akute Stresssituationen verdauen wir normalerweise recht gut im Vergleich zu chronischem Stress, der oft zu Gesundheitsproblemen führt.

Im Gleichgewicht zu sein bedeutet Wohlbefinden.